Wie geht inklusive Kultur?

Wie geht inklusive Kultur?

Menschen mit Behinderungen machen Theater. Sie machen Musik, sind bildende Künster*innen oder kuratieren Ausstellungen. Sie arbeiten in der Organisation von Kulturbetrieben oder in Dienststellen für Kultur der öffentlichen Hand.

Aber Menschen mit Behinderungen sind auch im Publikum in Theater, Konzert und Zirkus oder als Besucherinnen und Besucher in Museen.

Das ist heute schon Tatsache. An wenigen Orten. Und die Sichtbarkeit ist gering. Dass Menschen mit Behinderungen ebenso kulturinteressiert oder als professionelle Kulturschaffende aktiv sind, ist wenig im Bewusstsein der Gesellschaft und der Förderstellen und damit immer noch in erster Linie eine Vision. Ein Theater von Menschen mit Behinderungen wird oft nicht als professionelle Kultur ernst genommen. Wollen diese Schauspieler*innen so wahrgenommen werden? Und ist ein solches Theater inklusive Kultur?

Diesen kritischen Fragen geht Sensability in verschiedenen Arbeiten mit unterschiedlichsten Kulturorganisationen nach. Sie suchen einerseits nach Antworten, andererseits nach Lösungsansätzen und Möglichkeiten, bestehende Kulturangebote inklusiv zu gestalten.

Von der Bewusstseinsbildung zum Massnahmenkonzept

Das Helmhaus, ein städtisches Museum in Zürich, arbeitet seit längerer Zeit daran, inklusiver zu werden. In Sensibilisierungs-Workshops haben die Mitarbeitenden erfahren, welche Hindernisse bestehen. Hindernisse für Besuchende, aber auch solche für potenzielle Mitarbeitende mit Behinderungen. Und schnell wurde klar, es gibt viel zu tun.

Wo anfangen? Welches sind die dringlichsten Barrieren, die zu beseitigen sind? Und wie sind die Massnahmen zu finanzieren?

Die Herausforderungen sind gross und die Ressourcen auf allen Ebenen knapp. Eine systematische Standortbestimmung und ein strukturiertes Vorgehen sind wichtig, um den Überblick zu behalten und machbare Entwicklungsschritte zu planen und zu gehen. Das Helmhaus hat fünf Handlungsfelder definiert, welche innerhalb eines knappen Jahres nacheinander gemäss einem festgelegten Plan bearbeitet werden. Massnahmen werden konkretisiert, Kosten geschätzt sowie Zuständigkeiten und Fristen abgeklärt.

Derweil geht die Festivalorganisation der Winterthurer Musikfestwochen den Weg, sich jährlich für die Durchführung des Festivals einige Hindernisse vorzunehmen, die abgebaut werden sollen. Bisher wurden bereits Massnahmen in verschiedenen Bereichen umgesetzt, seien es hindernisfreie Zugänge zu Gelände und Tribüne, Unterstützung durch Kulturbegleitung, Informationen in einfacher Sprache, Angebote in Gebärdensprache oder Relaxed Performances.

Die Konzepte für die Massnahmenplanung und -umsetzung sind je nach Ausgangslage und Umständen sehr unterschiedlich. Die eingehende Auseinandersetzung mit den spezifischen Bedürfnissen und Randbedingungen der jeweiligen Organisation ist wichtige Voraussetzung für wirksame Massnahmen und effektiven Einsatz von personellen und finanziellen Ressourcen.

Wissen teilen, gemeinsam inklusiver werden

Wie verschieden die Situationen der Kulturorganisationen auch sind, ein Erfahrungsaustausch ist stets hilfreich und kann Synergien nutzbar machen. Die Netzwerke für inklusive Kultur wurden in den letzten Jahren von der Fachstelle Kultur inklusiv in diversen Regionen aufgebaut. Aktuell läuft ein Projekt im Kanton Aargau, initiiert durch das Zukunftslabor und Sensability gemeinsam mit vier Kulturorganisationen (Figura Theaterfestival Baden, Circus Monti, Odeon Brugg und Stapferhaus Lenzburg). Die teilnehmenden Kulturorganisationen erarbeiten in vier Workshops ein Netzwerk-Konzept, das es im Anschluss umzusetzen gilt.

In der Ostschweiz resultierte aus diesem Prozess ein Verein von Organisationen, die inklusive Kultur anbieten wollen. Im Kanton Zürich wurde die «Kulturhäuser-Stafette» ins Leben gerufen – ein dynamisches System für den Austausch von Erfahrungen unter den beteiligten Organisationen. Was ergibt sich im Aargau?

Gemeinsames Ziel der Initiativen und Projekte ist, dass Menschen mit Behinderungen in der Kultur ganz selbstverständlich Teil des Publikums, der Kulturschaffenden oder der Kulturorganisationen sind. Das Theater von Menschen mit Behinderungen soll genauso als professionelle Kunst wahrgenommen und wertgeschätzt werden wie ein Theater von Menschen ohne Behinderungen. Aber es sollen auch Menschen mit Behinderungen in anderen Organisationen inkludiert werden. Und die Angebote sollen für alle zugänglich sein. Das erfordert eine hohe Lern- und Handlungsbereitschaft auf allen Seiten und auf allen Ebenen. Und es lohnt sich. Für alle.

Statement Helmhaus:

«Eine Person mit Behinderungen hat einmal gesagt, dass sie wegen der diversen Barrieren im Alltag schon erschöpft ist, wenn sie im Helmhaus ankommt. Wir möchten deshalb den Zugang zu unserer Institution – physisch wie inhaltlich – so barrierefrei und angenehm wie möglich gestalten. Sensability unterstützt uns dabei tatkräftig, gestaltet die entsprechenden Prozesse mit viel Umsicht und Kreativität – und erinnert uns, wenn nötig, auch mal daran, nicht vom Weg abzukommen.»
— Daniel Morgenthaler, Kurator im Helmhaus, Zürich

Wo nun anfangen?

Hilfestellung für eine Standortbestimmung und Lösungsansätze gibt der Wegweiser für inklusive Veranstaltungen. Er ist für Performing Arts ausgelegt, verschiedene Teile können aber gut auch auf andere Kultursparten adaptiert werden. Der Kulturwegweiser kann hier in mehreren Sprachen heruntergeladen werden. Weitere Informationen finden Sie hier.

Maria Müller